WSP Logo

Trends sind immer von gestern – ein kompetenzbasierter Edukationsansatz //

Der Beitrag von Thomas Sakschewski entwickelt aus der systemtheoretisch hergeleiteten Kritik an einer auf Außeneinflüsse reagierenden Hochschullehre, einen kompetenzbasierten Ansatz, um aktuelle Strömungen wie Diversität oder Nachhaltigkeit in die Lehre einzubeziehen. Am Beispiel von Didaktiken und Kursinhalten aus der Lehre beschreibt er sein 4P Modell für eine praxisnahe und aktuelle Wissensentwicklung, die nicht auf Trends reagiert, sondern diese integriert.

 

4 P Ansatz von Thomas Sakschewski

Strömungen, Trends und Moden im Hochschulalltag
Der Prophet, des Medienzeitalters Neil Postman schreibt in seinem Hauptwerk „Wir amüsieren uns zu Tode”, „dass unsere Kultur begonnen hat, ihre Angelegenheiten, vor allem ihre wichtigen Angelegenheiten, auf eine neue Art und Weise zu regeln. Das Wesen ihres Diskurses verändert sich, wenn es mit jedem Tag schwieriger wird, zu erkennen, wo das Schaugeschäft aufhört und etwas anderes anfängt." (Postman 1992: 122) Die massenmediale Inszenierung, die Postman noch als Unterhaltungsindustrie, in ihrer Diskurs beeinträchtigenden Funktion in einer bipolaren Welt beschreiben konnte, ist längst einer Fragmentarisierung in Icons und Meme zersplittert. Die angesprochenen Massen sind nicht mehr träge in der Vielzahl der Einzelnen entindividualisierte amorphe Körper wie bei Gustave Le Bons „Psychologie des foules” (LeBon 1895). In dem dort gezeichneten Bild ist die Masse eine irrationale, entseelte und somit bedrohliche Erscheinung. „Die Meute", heißt es bei Canetti, „ist von einer unabänderlichen und schrecklichen Bestimmtheit." (Canetti 1980: 129) Eine Bestimmtheit, die Angst macht. Masse und Meute sind wie Geschwister. Sie brauchen aneinander und sie hassen sich. Sie sind sehr verschieden, haben jedoch den gleichen Ursprung


Massenphänomene in unseren postmassenmedialen Zeiten entstehen durch díe  Bestimmtheit ihrer Meute. Sie entwickeln sich durch Fans oder Follower und können mit der Kraft einer payroklastischen Exposion Trends gebären. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen traditionellen Massenmedien und den sozialen Medien. Trends werden so viral und dünnflüssig. (...)

Hochschulen sind komplexe Systeme der Wissensvermittlung und Qualifizierung von Studierenden. Größere Systeme entwickeln differenzierte Strukturen zur Selektivität Sie werden schwerfällig und folgen selbstzentriert einem in der Vergangenheit definiertem Systemzweck. Einflüsse von außen brauchen lange, um durch die gewachsenen Selektivitätsstrukturen Veränderungsprozesse zu bewirken. Mit der Zunahme struktureller Selektivität, nimmt daher sowohl die Kontingenz als auch die Nichtbeliebigkeit der Strukturwahl zu. Innerhalb größerer Systeme nimmt also die Tendenz zu, die Kontingenz von Selektionen zu reduzieren (Luhmann 2018: 35). Bevor Trends Gegenstand wissenschaftlicher Praxis einer Hochschule werden und sich dann in einer Modulbeschreibung manifestieren, können Jahre vergehen. Zeiträume, die für die Wirbel und Wellen innerhalb gesellschaftlicher Entwicklungsströmungen zu lang sind.

Ein Versuch schnell nach zu justieren und auf gesellschaftliche Entwicklungen instantan zu reagieren, widerspricht dem Prinzip der systemischen Kontingenzreduktion von Hochschulen, denn Trends sind nicht abgeschlossene Entwicklungen und Veränderungen, die per definitionem Unsicherheiten über Verlauf und Ende bedeuten. Sind Trends als Teil einer Modulbeschreibung erst einmal akkreditiert, wird die wissenschaftliche bzw. gesellschaftspolitische Bedeutung außerhalb des Systems Hochschule nicht mehr hinterfragt und nicht selten ist ein Trend dann bereits Geschichte.


Um sich aus diesem Dilemma zu befreien, sollte nicht versucht werden, mühsam aktuelle Strömungen in einem Lehrbetrieb einzuschalen, sondern sich das Selbstverständnis der Hochschule und Ihrer Lehrkäfte wandeln von der Aufgabe der Wissensvermittlung hin zur Moderation der Wissensentwicklung. Die Diskusssion und kritische Auseinandersetzung auch und gerade mit kurzlebigen Erscheinungen ist ein wichtiger Baustein zur Sicherung der Aktualität der Lehrinhalte. Diese sind jedoch nicht als normativer Handlungsrahmen vorzugeben, sondern müssen als Konjunktiv zukünftiger Praktiken erörtert werden. Kontingenzerfahrungen sind damit vorher bestimmt, aber auch das Leben in Unsicherheiten muss erlernt werden. Wenn Lernen weiterhin primär als Qualifikationsnachweis verstanden wird, haben Trends im Lehrplan kaum ein Platz. Die beiden Wissensbausteine Wissensentwicklung und Wissensnutzung (Paul und Sakschewski 2012: 199) sind jedoch wichtige Elemente eines kompetenzbasierten Edukationsansatzes. Diese befähigen Studierende Trends als Möglichkeitsformen zu antizipieren und so eigenständig Kontingenz zu reduzieren.
....

Zurück zur Übersicht